Alpinsport mit Diabetes

14.02.2023

Körperliche Aktivität ist relevant und trägt zu unserem Wohlbefinden bei, kann aber für Diabetiker zu einer echten Herausforderung werden. Das gilt umso mehr, je intensiver Sport bzw. Ausdauersport betrieben wird.

Auch im Bereich des Alpinsports und vor allem dann, wenn es um hochalpinen Bergsport geht, müssen Diabetiker einige relevante Aspekte beachten, um ihren Blutzucker während und nach körperlicher Anstrengung weitgehend stabil zu halten und ihren Stoffwechsel so zu beeinflussen, dass es weder zu einer Hyperglykämie (zu hoher Blutzucker) noch zu einer Hypoglykämie kommt.

Generell ist es sinnvoll, sowohl bei Typ-1-Diabetes (sog. jugendlicher Diabetes mit einem Mangel an Insulin, dem blutzuckersenkenden Hormon) als auch bei Typ-2-Diabetes (sog. Alters-Diabetes mit einer Resistenz gegenüber Insulin, der aber zunehmend auch bei meist übergewichtigen Jugendlichen auftritt) sportlich aktiv zu sein. Körperliche Aktivität beeinflusst einerseits den Blutzuckerspiegel und die Kapazität, den Blutzucker zu regulieren, positiv und hilft andererseits auch, die Risikofaktoren zu reduzieren, die (neben genetischen Faktoren) die Entstehung eines Typ-2-Diabetes begünstigen (Übergewicht, erhöhter Körperfettanteil). Jahrelang schlechte Blutzuckerwerte können zu schweren Folgeerkrankungen führen, u.a. zu Nierenversagen, Schädigungen der Nerven und Augen, Herzinfarkt und Schlafanfall.

Typ 2 und Bergsport

Primär sollten Typ-2-Diabetiker zunächst versuchen, Übergewicht zu reduzieren und mit Hilfe von Ausdauersport und Muskelaufbau den Blutzuckerstoffwechsel positiv zu beeinflussen. Die wirkungsvollste Therapiemaßnahme, weit vor der medikamentösen Therapie, ist die Gewichtsreduktion. Wenn Diät und Bewegung nicht mehr ausreichend wirken, muss mit Medikamenten nachgeholfen werden. Bei Typ-2-Diabetikern zunächst mit Medikamenten, die den Blutzuckerspiegel durch unterschiedliche Mechanismen reduzieren (u.a. Verzögerung der Zuckeraufnahme aus dem Darm ins Blut, Steigerung der Sensitivität auf körpereigenes Insulin) und später mit Insulin, bei Typ-1-Diabetikern von Anfang an mit Insulin, das als körpereigenes Hormon in der Regel mehrmals täglich in das Unterhautfettgewebe injiziert wird. Wieviel Sport letztendlich empfehlenswert ist, ist individuell unterschiedlich und hängt auch vom Ausmaß der vorherigen körperlichen Aktivität ab. Bereits länger inaktive Diabetiker sollten sich vor der Aufnahme eines Trainings auf jeden Fall sportmedizinisch und/oder internistisch beraten lassen, u.a. auch, um weitere Risikofaktoren (z.B. Bluthochdruck) vor Trainingsbeginn zu normalisieren.

Generell ist jedes Mehr an Bewegung sinnvoll und zielführend; auch Alltagsaktivitäten können zu körperlicher Aktivität beitragen, u.a. Treppensteigen, zu Fuß oder mit dem Fahrrad einkaufen anstatt mit dem Auto usw. Wenn möglich, sollte aber immer auch zumindest ein leichtes Ausdauertraining angestrebt werden, beispielsweise 3-5x wöchentlich mindestens eine Stunde zügig spazieren gehen, Rad fahren oder schwimmen. Daneben ist natürlich auch Bergwandern eine weitere Option. In einigen Studien hat sich auch gezeigt, dass Bergsport (oder auch passives Hypoxie-Training) sogar zu einer mittelfristigen Verbesserung des Blutzuckerstoffwechsels mit Verbesserung des HbA1c-Wertes (eines Messwertes, die die längerfristige Blutzuckereinstellung anzeigt) führen kann.

Alpin und hochalpin unterwegs mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes

Alpin und hochalpin unterwegs zu sein trotz einer Diabetes-Erkrankung schließt sich nicht aus. Selbst bei der Notwendigkeit einer Insulintherapie ist Bergsport bis in extreme Höhen machbar. Wichtig ist aber eine adäquate Vorbereitung und ausreichendes Wissen darüber, wie der eigene Körper auf körperliche Aktivität allgemein und insbesondere in der Höhe (möglicherweise) reagiert und welche medizinischen und medikamentösen Maßnahmen notwendig sind oder ggf. im Extremfall notwendig werden können.

Studien an Bergsportlern mit Diabetes zeigen, dass Blutzuckerspiegel und notwendige Insulininjektionen bzw. andere medikamentöse Maßnahmen individuell sehr variabel ausfallen, so dass sich keine allgemeinen Therapieregeln aufstellen lassen. Notwendig ist es, während der Aktivität regelmäßig den Blutzuckerspiegel zu bestimmen und ggf. die Dosis anzupassen, da sich in der Höhe Unterschiede zum Training in der gewohnten Umgebung ergeben können. Das Risiko einer Hyper- oder Hypoglykämie ist in der Höhe größer. Während einige Studien gezeigt haben, dass die übliche Insulindosis bis zu 50% reduziert werden muss, kamen andere zu dem Ergebnis, dass eine höhere Dosis notwendig sein kann. Wichtig ist jedoch auch zu wissen, dass Diät und körperliche Aktivität einen größeren Einfluss auf den Blutzucker haben als die Höhe, in der die Aktivität stattfindet. Daher kann empfohlen werden, dass Diabetiker ihren Körper, die Anpassungsmechanismen und notwendigen Anpassungen der Medikamentendosis am besten zunächst unter alltäglichen Aktivitäts- und Trainingsbedingungen kennenlernen sollten. Was in der Höhe oft noch dazu kommt, ist ein reduziertes Hungergefühl. Diabetiker sollten daher immer ausreichend kohlehydratreiche Nahrungsmittel mit sich führen, um einem zu niedrigen Blutzuckerspiegel schnell entgegenwirken zu können. Daneben sollte zur Therapie eines Unterzuckers ggf. auch Glukagon mitgeführt werden.

Berücksichtigt werden muss auch, dass Blutzuckermessgeräte ggf. nicht für Messungen bei extremen Temperaturen ausgelegt sind, was zu Fehlbestimmungen führen kann. Daher sollten Messgeräte nah am Körper getragen werden (dies gilt auch für Insulin, das ansonsten einfrieren kann), ggf. in einer separaten Fleece-Hülle. Daneben gibt es spezielle Messgeräte, die für niedrige Temperaturen zugelassen und entsprechend getestet sind. Medikamente wie Paracetamol und Aspirin können außerdem zu veränderten Messergebnissen führen.

Insgesamt besteht bei Diabetikern kein erhöhtes Risiko für eine akute Höhenkrankheit (AMS – Acute Mountain Sickness). Die üblicherweise zur Vorbeugung verordneten Medikamente sollten jedoch nicht von Diabetikern eingenommen werden, da sie den Blutzuckerspiegel beeinflussen (z.B. Dexamethason, Diamox). Zudem können die Symptome der Höhenkrankheit denen einer Hypoglykämie sehr ähnlich sein (Schwindel, Kopfschmerzen, Benommenheit, Sehstörungen).

Vor einer hochalpinen Tour ist zudem eine augenärztliche Kontrolle anzuraten, um eine sog. diabetische Retinopathie auszuschließen, die sich unter alpinen Bedingungen verschlechtern kann.

Letztendlich sollten, wenn möglich, auch die Begleiter auf einer Bergtour über die Diabeteserkrankung im Bilde sein als auch wissen, wo sich welche Medikamente befinden, falls es zu einer hyper- oder hypoglykämischen Entgleisung kommt.

Generell gilt also: wer als Diabetiker in den Bergen unterwegs ist, muss gut vorbereitet sein und sollte seinen Körper und Blutzuckerstoffwechsel gut kennen. Nichtsdestotrotz spricht nichts gegen alpine Aktivität bis hin zu hochalpinem Bergsport in hohen (3000 bis 5000 hm) und extremen (< 5000 hm) Höhen, wenn eine entsprechende Vorbereitung erfolgt ist. Letztendlich ist es wichtig, dass jeder Diabetiker, der alpin unterwegs ist, weiß, welche Maßnahmen wann sinnvoll und notwendig sind. Sowohl das Management eines zu hohen als auch eines zu niedrigen Blutzuckerspiegels ist äußerst relevant.

Anpassung einer medikamentösen Therapie an körperliche Aktivität in der Höhe:

Sulfonylharnstoffe (z. B. Euglucon®,Amaryl®, NovoNorm®): Die Tablettendosis muss im Zusammenhang mit körperlicher Aktivität oft reduziert werden. Vor und nach der Aktivität sollte der Blutzucker gemessen werden, außerdem bei Wahrnehmung von Unterzuckerungs-Symptomen

Biguanide (z. B. Glucophage®), Resorptionsverzögerer (z. B. Glucobay®), Insulinsensitizer (z. B. Actos®): hier ist keine Dosisreduktion nötig, da keine Unterzuckerungs-Gefahr besteht

Bei gleichzeitiger Verwendung von Resorptionsverzögerern + Sulfonylharnstoffen/Insulin darf zur Behandlung von Unterzuckerungen nur reine Glukose (z. B. in Cola, Traubenzucker) verabreicht werden, jedoch keine Mehrfachzucker (z. B. Kekse, Schokolade, Obst etc.).

Insulin: Die Insulindosis muss ggf. angepasst werden, abhängig auch davon, ob kurz-, mittel- oder lang-wirksame Insuline verwendet werden.